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Fahren und gefahren werden

26.4.2022

Während einige in Deutschland die Zukunft gerne auf zwei Rädern, getrieben von menschlicher Muskelkraft wie zu Chairman Mao Tse Tungs Zeiten, sehen, wird der Fokus in Ländern, wo es bereits ein Tempolimit gibt, auf Raum und Bequemlichkeit gelegt. In China läßt man sich gerne fahren und sitzt hinten, sofern man sich das leisten kann. Es gibt keine Parkplatzprobleme, da der Fahrer einen am Zielort absetzt und mit dem Fahrzeug zum Ausgangspunkt zurückkehrt.

Das ist auch die Antwort für diejenigen, die ÖPNV-geplagten Deutschen die Parkplätze in ihren „Groß“städten nehmen wollen. Eine Stadt wie Shanghai hat 23 Millionen Einwohner, dazu kommen täglich 13 Millionen Pendler. Parkplätze sind rar und man lockt die Menschen an die Stadtgrenzen, indem man luxuröse Compounds wie „Vescaya“ baut. Diese Compounds haben einen durchgängigen Stil, in diesem Fall den einer spanischen Kleinstadt, und unterirdische Parkhäuser, die die Fahrzeuge der Bewohner beherbergen.

Autonome Fahrzeuge werden diesen Trend verstärken. Der Verkehr wird dadurch absehbar zunehmen, wie auch Elon Musk vor kurzem bemerkte.

Chauffierte Fahrzeuge zeichnen sich durch ein üppiges Platzangebot aus. Typischer Vertreter dieser Zunft ist der Toyota ALPHARD:

Toyota Alphard

Diese Fahrzeugklasse bietet dem Insassen den Raum, den man auf einer solchen Fläche erwarten darf:

TESLAs Antwort mit dem TESLA-X war halbherzig und leidlich erfolgreich wegen des Gimmicks, mit dem man Erstbewunderer einfangen konnte: den einzigartigen Flügeltüren. Für deutsche Kunden unverständlich: Die Flügeltüren sind hinten angebracht.
Im täglichen Gebrauch stoßen diese jedoch auf eine fehlende Eigenschaft chinesischer Kunden: Geduld. Niemand wartet dort gerne, weder auf das Schließen der Lift-Tür (deshalb gibt es dort überall den „Close“-Button), geschweige denn das Schließen einer Fahrzeug-Tür.

Für Deutsche völlig unverständlich, aber großartig kam die Antwort jetzt von AUDI: Der AUDI Urbansphere. Im Gegensatz zum Toyota Alphard voll elektrisch. Toyota hat den wahren Impact von E-Fahrzeugen bis heute nicht begriffen. Das lautlose Gleiten ist ein wesentlicher Bestandteil luxuriöser Fortbewegung.

Der AUDI Urbansphere wurde konsequenterweise mit chinesischen Kunden entwickelt und bietet genau den Raum, den man dort erwartet und erwarten darf, angesichts der Möglichkeiten, die ein Fahrzeug mit Elektroantrieb bietet.

AUDI Urbansphere Concept

Das Äußere eines solchen Fahrzeugs wird natürlich durch seine Höhe bestimmt. Wer nicht schnell unterwegs sein muß (vergl. Tempolimit) und möglichst viel Raum nutzbar machen will, landet zwangsläufig bei geraden Fronten mit riesigen Frontgrills.

Zurück zum Thema: In Deutschland versuchen geneigte Kreise, die der „Humantransportlogistik“-Branche zuzurechnen sind, den Menschen das Auto madig zu machen. Sie nennen es „#Autokorrektur“ und meinen damit die allgemeine Reduktion privat betriebener Kraftfahrzeuge zugunsten von öffentlichem Verkehr und privaten „Door-to-door“-Taxidiensten (aka „gefahren werden“). Um diese Reduktion zu erreichen, wird alles unternommen, um den Menschen das eigene Auto zu verleiden. Man versucht, dem Auto durch sein bloßes Existieren ein negatives Image aufzustempeln. Die Reduktion von Anwohnerparkplätzen führt zwangsläufig dazu, daß verzweifelte Anwohner an Orten parken, wo sie ungern gesehen und von geneigten Kreisen aufgeschrieben und angezeigt werden.

Wichtiger Bestandteil dieser Strategie der „Autokorrektur“ ist die Dehumanisierung von Fahrzeugen. Der Mensch und sein unerwünschtes privates Fortbewegungsmittel werden voneinander getrennt. Verteufelt wird das Auto selbst, insbesondere in seiner am meisten verhaßten Version, dem sogenannten „SUV“. Diese Fahrzeugklasse erschwert durch den gesteigerten Komfort und Übersicht für den Nutzer den Umstieg auf die gewünschten alternativen Transportmittel für die als „Beförderungsfälle“ angesehenen Bürger. Die Möglichkeit, Rollstühle oder Kinderwagen unterzubringen, sind für den Menschen „verlockend“, weil sie sein Leben erleichtern. All diese Erleichterungen müssen dem Menschen genommen werden, damit er mehr oder weniger freiwillig auf die „neuen“ Angebote umsteigen muß.

Aus diesen Gründen wird auch gerne von der „Blechkiste“ geredet, die dem leidgeprüften Gegenwindbekämpfer die Sicht verdirbt oder Anwohnern mit viel Tagesfreizeit den Platz nimmt, um diese in rasch selbst gezimmerten „Parklets“ zu verbringen. Der Mensch bzw. die Familie und die jeweilige persönliche Geschichte, die sich hinter jedem Fahrzeug verbirgt, muß dafür aus dem Fokus gedrängt werden.

Diese Form der Dehumanisierung des „Problems Auto“ trifft hauptsächlich den schwächeren Teil der Bevölkerung, der auf das Auto angewiesen ist: Abhängig Beschäftigte, körperlich Herausgeforderte und Alte.

Die Begüterten müssen nicht um den verbliebenen Raum, der durch Hinzuzug in die Städte immer kleiner wird, kämpfen. Sie werden vom Fahrer abgeholt, in Zukunft vom autonomen Fahrzeug, was die Schwelle zu dieser individuellen Fortbewegungsform weiter verringern wird.

Im Interesse vor allem derer, die sich selbst nicht wirklich vertreten können und die von den vermeintlichen Kämpfern für die Enterbten, Witwen und Waisen bewußt von individueller Mobilität abgehalten werden sollen, muß der Dehumanisierung der Diskussion Einhalt geboten werden. Jedes Fahrzeug steht für einen Lebensentwurf, den sich viele nicht selbst aussuchen konnten. Den Menschen ihre Fahrzeuge zu nehmen, ist in hohem Maße unsozial.

 

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